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Das Projekt GLOWA-Danube

1. Einleitung

Der Globale Wandel, der die Summe der Veränderungen der Lebensbedingungen der Menschen auf der Erde durch immer stärkere Eingriffe in die natürliche Umwelt bezeichnet, verändert zusehends die Rahmenbedingungen, unter denen die Menschen in Zukunft leben werden. Klimawandel, zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft, Landnutzungsänderungen, demographische Veränderungen, Bevölkerungswachstum, Mobilität, Wasserverschmutzung und die zunehmende Nutzung erneuerbarer und nicht erneuerbarer natürlicher Ressourcen sind in diesem Zusammenhang wichtige Faktoren. Da Tempo und Ausmaß des Globalen Wandels zunehmen und seine Folgen in immer größerem Maß sichtbar werden, wird es immer wichtiger, frühzeitig Maßnahmen sowohl zur Vermeidung bzw. Abschwächung der Auswirkungen als auch zur Anpassung an die unvermeidbaren Folgen in die Wege zu leiten.

Die Oberfläche der Erde ist zu über 70% mit Wasser bedeckt. Der Süßwasseranteil beträgt nur 2,53%, wovon Mensch und Ökosysteme nur einen Teil nutzen können, da etwa zwei Drittel der Süßwasservorräte in Gletschern und ständigen Schneedecken gebunden sind. Wasser ist ein Lebensmittel sowohl für den Menschen als auch für die Natur. Es wirkt damit in alle ökonomischen, kulturellen, sozialen und ökologischen Bereiche hinein. Der Wasserkreislauf auf dem Festland der Erde erfüllt im Zusammenspiel mit der Biosphäre zentrale ökosystemare Dienstleistungen, wie zum Beispiel die Bereitstellung von Verdunstungswasser für die Nahrungsmittelproduktion, die Reinigung des Wassers und der Ökosysteme, den Transport natürlicher und menschlicher Abfälle sowie die Bereitstellung von Industrie- und Trinkwasser. Er ist damit Grundlage für funktionierende Stoffkreisläufe und für eine stabile Umwelt.

Wasserverfügbarkeit, Wasserqualität und Wassernachfrage werden sich in den nächsten Jahrzehnten durch den Einfluss des zu erwartenden Klimawandels sowie der sich abzeichnenden Änderung der Bevölkerungs- und der Industriestruktur global wie regional in massivem Umfang ändern. Hierbei ist zu erwarten, dass sich bestehende Konflikte bei der Nutzung von Wasser verschärfen und neue, bis jetzt noch nicht absehbare Konflikte entstehen werden. Globale Veränderungen wirken sich auch regional aus. Aus diesem Grund werden vor allem im Rahmen der zu ergreifenden Maßnahmen zur Adaptation an den Globalen Wandel die regionalen Gegebenheiten unter natürlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten zu berücksichtigen sein.

Vielschichtige administrativ-politische Rahmenbedingungen (z.B. die EU-Wasserrahmenrichtlinie oder die EU-Agrarreform mit der Agenda 2007) sollen dafür sorgen, dass in Zukunft die Nutzung des Wassers durch die unterschiedlichen Akteure nachhaltig gestaltet wird. Sie müssen regional in den betroffenen Einzugsgebieten umgesetzt werden, wobei als übergeordnetes Ziel eine nachhaltige Gesamtentwicklung unter sich verändernden natürlichen und ökonomisch- sozialen globalen Rahmenbedingungen anzustreben ist. Dies setzt abgestimmtes, disziplin- und nutzungsübergreifendes Umweltmanagement voraus. Zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der natürlichen Ökosysteme müssen Konflikte zwischen widersprüchlichen Wassernutzungen und Wasseransprüchen gelöst werden. Modernes, auf Nachhaltigkeit abzielendes Umweltmanagement kann auf Einzugsgebietsebene dieser komplexen Aufgabe nur gerecht werden, wenn die durchzuführenden Maßnahmen zum einen durch detaillierte Analysen der Folgen unterschiedlicher Entwicklungsszenarien abgesichert und zum anderen von breiter Akzeptanz bei den Betroffenen begleitet und unterstützt werden. Hierfür werden transparente, die Stakeholder einbeziehende Werkzeuge zur Entscheidungsunterstützung benötigt.

Der Projektverbund GLOWA (Globaler Wandel des Wasserkreislaufs, www.glowa.org) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) mit dem Ziel ins Leben gerufen, die regionalen Auswirkungen des Globalen Wandels auf die Wasserressourcen anhand ausgewählter Einzugsgebiete zu untersuchen, die fehlenden Instrumente für ein nachhaltiges Umweltmanagement auf der Ebene von mittleren Einzugsgebieten zu entwickeln und Handlungsoptionen für ein zukünftig nachhaltiges, integriertes Einzugsgebietsmanagement unter Global-Change Bedingungen zu ermitteln. GLOWA-Danube (www.glowa-danube.de) beschäftigt sich seit dem Januar 2001 als Teil des Verbundes speziell mit der Entwicklung und Anwendung des integrativen Global Change Entscheidungs-Unterstützungs- Systems DANUBIA. DANUBIA ist ein gekoppeltes System von Modellen, das prinzipielle Prozesse aus den Natur- und Gesellschaftswissenschaften im Zusammenhang mit der Nutzung von Wasserressourcen einzugsgebietsbezogen abbildet. Die Entwickler von DANUBIA haben sich von der Erkenntnis leiten lassen, dass komplexe Fragen zu Auswirkungen globaler Veränderungen nur beantwortet werden können, wenn das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen der beteiligten Prozesse in Natur und Gesellschaft integrativ, d.h. in ihrer gegenseitigen Beeinflussung, behandelt werden. Bei der Entwicklung von DANUBIA wurde Wert darauf gelegt, dass es darüber hinaus ein Maximum an Vorhersagefähigkeit besitzt und damit eventuell nötige Eichungen der Modelle am heutigen Zustand des Einzugsgebiets, die eine Anwendung für zukünftige Zustände einschränkt, so weit wie möglich vermeidet. In seinem Endausbau ist DANUBIA in der Lage, wasserbezogene Umwelt-Themen unter ökologischen, ökonomischen und kulturellen Aspekten zu simulieren und die Nachhaltigkeit der vorgeschlagenen Lösungsszenarien zu untersuchen. Dadurch soll DANUBIA dazu beitragen, optimale Lösungen für ein nachhaltiges Umweltmanagement in großen, heterogenen Einzugsgebieten zu finden. Im Rahmen von GLOWA-Danube werden methodische Grundlagen entwickelt und angewandt, um die traditionell weit entfernten Bereiche Natur-, Ingenieur- und sozioökonomische Wissenschaften zur Identifikation nachhaltiger Strategien der Wassernutzung zusammenzubringen.

GLOWA-Danube wird von einem intra-universitären Forschungsteam, in der 3. Projektphase bestehend aus 12 Forschungsgruppen an 10 Universitäten und Forschungseinrichtungen aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein- Westfalen, Hamburg und Tirol getragen und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Ländern Bayern sowie Baden- Württemberg gefördert. Das Forschungsteam besteht aus mehr als 40 Wissenschaftlern, die den folgenden Fachdisziplinen angehören:

  • Hydrologie und Fernerkundung (Ludwig-Maximilians-Universität München, Department für Geographie)
  • Grundwasserwirtschaft und Wasserversorgung (Universität Stuttgart, Institut fürWasserbau) Wasserwirtschaft
  • Wasserwirtschaft (Bayerisches Landesamt für Umwelt, Hof)
  • Glaziologie (Universität Innsbruck, Institut für Meteorologie und Geophysik; Bayerische Akademie der Wissenschaften, Kommission für Glaziologie)
  • Informatik (Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Informatik)
  • Meteorologie Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Meteorologie
  • Regionale Klimamodellierung (MPI Hamburg, Max-Planck-Institut für Meteorologie)
  • Ökosysteme - Pflanzenökologie (Universität zu Köln, Geographisches Institut)
  • Agrarökonomie (Universität Hohenheim, Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre)
  • Umweltpsychologie (Universität Kassel, Center for Environmental Systems Research)
  • Umweltökonomie (ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. an der Universität München, Bereich Umwelt, Regionen und Verkehr)
  • Tourismusforschung (Ludwig-Maximilians-Universität München, Department für Geographie)

2. Die Obere Donau als Piloteinzugsgebiet

GLOWA-Danube untersucht die Auswirkungen der globalen Veränderungen auf den Wasserkreislauf des Einzugsgebiets der Oberen Donau bis zum Pegel Achleiten bei Passau (siehe Abbildung E1.1). Mit seiner Fläche von 77.000 km² stellt es ein Einzugsgebiet regionaler Größe dar, in dem eine Vielzahl von natürlichen und anthropogenen
Faktoren Einfluss auf den Wasserhaushalt zeigen. Die natürlichen hydrologischen und klimatologischen Verhältnisse im Einzugsgebiet der Oberen Donau sind sehr komplex. Sie werden in hohem Maße von den Prozessen in den Alpen bestimmt, die von starken Höhengradienten, hohen Niederschlägen und der Schnee- und Eisdynamik
beeinflusst sind.


Abbildung E1.1: Das Einzugsgebiet der Oberen Donau
Datengrundlage: ESA (ENVISAT-MERIS, 10.09.2004)

Das Einzugsgebiet der Oberen Donau bietet mit seiner gesamten Infrastruktur und den gemäßigten Klimaverhältnissen für ca. 11,5 Mio. Menschen (Stand 2006) einen attraktiven Lebensraum mit einem hohen Lebens- und Hygienestandard. Voraussetzung dafür ist u.a. die Versorgung mit einer ausreichenden Menge an qualitativ hochwertigem Wasser. Darüber hinaus stellt der im Einzugsgebiet der Oberen Donau gebildete Abfluss eine wichtige Lebens- und Wirtschaftsgrundlage für die Unterliegerstaaten Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien und Ukraine dar. Der Wasserhaushalt im Einzugsgebiet bietet gegenwärtig gute Bedingungen für alle Nutzer. Als entscheidender Wirtschaftsfaktor wird Wasser auf vielfältige Weise genutzt: im Haushalt, in der Landwirtschaft, in der Industrie, zur Energiegewinnung und im Tourismus.

Trinkwasser wird in Bayern zu 95% aus Grundund Quellwasser gewonnen, davon können zwei Drittel naturbelassen in das Versorgungsnetz abgegeben werden. Nur 2,5% werden über die Entnahme von Oberflächenwasser gewonnen. Auch Österreich muss nur sehr wenig Oberflächenwasser für die Trinkwasserreserven verwenden. Insgesamt gesehen wird in Österreich der Wasserbedarf zu 50% von Quellwasser, zu 49% von Grundwasser und nur zu weniger als 1% von Oberflächenwasser abgedeckt. In Baden-Württemberg wird das Trinkwasser zu 45% aus Grundwasser, zu 34% aus Flusswasser und zu 17% aus Quellwasser bezogen, dabei muss der Großteil enthärtet, gereinigt, gefiltert und z.T. desinfiziert werden. Der Landesdurchschnitt beim Trinkwasserverbrauch liegt in Bayern bei 135 l/EW*Tag, in Baden-Württemberg bei 123 l/EW*Tag und in Österreich bei 150 l/EW*Tag (die Angaben entstammen den aktuellen Internet- Seiten: www.lfu.bayern.de (Bayerisches Landesamt für Umwelt), www.statistik-bw.de (Statistisches Landesamt Baden-Württemberg), www.wassernet.at (Bundesministerium für Landund Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Österreich)). Dabei ist der Verbrauch regional sehr unterschiedlich – sehr hohe Verbräuche zählt man in Städten und Gemeinden und in Regionen mit hohem Fremdenverkehrsaufkommen. Für die öffentlichen Wasserdienstleister ist die langfristige Entwicklung von Wasserangebot und Wassernachfrage ein zentrales Kriterium, um auch in Zukunft eine sichere Trinkwasserversorgung und eine geregelte Abwasserentsorgung sicherstellen zu können. Dabei spielt die Überwachung des Einzugsgebietes, die Aufbereitung des Rohwassers und die Sicherung der Trinkwasserqualität eine herausragende Rolle.

Die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung der Menschen ist aufgrund der vergleichsweise geringen Wassermenge zukünftig eher ein technologisches und wirtschaftliches Problem. Dagegen ist die Belastung der verfügbaren Wasserressourcen durch andere Bereiche weitaus höher. Die bei weitem intensivsten Wassernutzer im Einzugsgebiet der Oberen Donau sind die Landwirtschaft und die Energiewirtschaft. So benötigt beispielsweise die Produktion eines Kilogramms Mehl ca. 550 Liter Wasser, die die Getreidepflanzen während ihres Wachstums verdunsten. Zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Naturressourcen werden große Anteile des Abflusses der Oberen Donau und seiner Nebenflüsse wegen der großen Höhenunterschiede im Einzugsgebiet bereits heute genutzt und damit auch reguliert. Hinzu kommt die steigende Nutzung des Wassers zur Unterstützung des Wintertourismus durch die Erzeugung von Kunstschnee.

Darüber hinaus sprechen die folgenden Gründe für die Auswahl des Einzugsgebiets der Oberen Donau als Pilotgebiet für die Entwicklung von DANUBIA:

  • Die Größe des Einzugsgebietes von fast 80.000 km² sowie seine vielfältige administrative Struktur im Bereich der Wasserwirtschaft sorgt für Komplexität und Relevanz für Managementfragen im Rahmen der Nachhaltigkeit der Wassernutzung.
  • Die starken räumlichen Gradienten aller beteiligten Größen (z. B. Wasser, Stickstoff, Kapital) sorgen für starke räumliche Vernetzung sowie starke räumliche Wechselwirkung innerhalb des Einzugsgebiets in Form lateraler Ströme. Dies bezieht sich neben dem Wasserhaushalt u.a. beispielsweise auch auf den
    Tourismus und die Migration.
  • Es ist zu erwarten, dass sich Klimaänderungen wegen des Höhengradienten im Einzugsgebiet der Oberen Donau stark bemerkbar machen werden. Dies bewirkt Veränderungen u.a. der natürlichen Vegetation, der landwirtschaftlichen Struktur sowie des Fremdenverkehrs. Gegebene Konflikte zwischen Landwirtschaft,
    Wasserwirtschaft und Tourismus werden so verschärft.
  • Sowohl die exzellente Datengrundlage als auch die Notwendigkeit der Harmonisierung unterschiedlicher Datenbestände aus verschiedenen Ländern macht die Obere Donau zu einem geeigneten Pilot-Einzugsgebiet für die in der EU-Wasserrahmenrichtlinie geforderte einzugsgebietsbezogene Wasserwirtschaft (BMU, 2005).

Die Obere Donau ist somit ein hervorragend geeignetes, mesoskaliges Untersuchungsgebiet und repräsentativ für Gebirgs-Vorland Regionen in den temperierten Mittelbreiten.

3. Die Klimaentwicklung im Einzugsgebiet der Oberen Donau

Eine Fülle von Material liegt vor, welches dokumentiert, dass das Einzugsgebiet der Oberen Donau in den letzten 800.000 Jahren massive Veränderungen durchlebt hat. Sie haben ihre Ursache in einer regelmäßigen Abfolge von Eiszeiten. Diese haben zu unterschiedlich stark ausgeprägten Vergletscherungen der Alpen, des Alpenvorlandes
und Teilen des Bayerischen Waldes geführt. Dies hatte regelmäßig eine weitgehende Verdrängung und Wiederansiedlung der Vegetation, Bildung von Lößansammlungen im Tertiärhügelland sowie Ablagerung großer Mengen von Moränenmaterial im Alpenvorland und Schottermengen in der Münchner Schotterebene zur Folge. Als Ursachen dieser massiven eiszeitlichen Klimaveränderungen sind inzwischen die zyklischen Veränderungen der Erdumlaufbahn um die Sonne identifiziert, deren zeitliche Dynamik im Bereich von Jahrtausenden anzusiedeln ist.

4. Die globale Klimaveränderung und bereits eingetretene Auswirkungen

Durch die Forschung der letzten Jahre liegt eine Vielzahl konkreter Hinweise auf viel dynamischere, vom Menschen ausgelöste Veränderungen der natürlichen Rahmenbedingungen vor. Sie beziehen sich vorwiegend auf den Globalen Klimawandel. Dies zeigt sich in der gemessenen globalen Temperatur, die während des letzten
Jahrhunderts bereits um 0,6°C zugenommen hat.

Die regionalen Folgen des Globalen Klimawandels zeigen sich schon heute in den Messreihen der meteorologischen Stationsnetze an der Oberen Donau. So bestätigen die Analysen der Langzeit- Messreihen des Deutschen Wetterdienstes den weltweiten Trend zur Temperaturerhöhung
(KLIWA, 2005a). Im Einzugsgebiet der Oberen Donau hat sich die bodennahe Lufttemperatur in den letzten 100 Jahren erhöht. Im Frühling und Sommer wurde ein Rückgang der Niederschläge beobachtet, Winterniederschläge haben dagegen in großen Teilen des Einzugsgebietes zugenommen (BayFORKLIM, 1999; KLIWA, 2005b).
Auch jenseits des reinen Temperaturanstiegs wurden in den letzten Jahren weitere regionale Folgen der globalen Erwärmung sichtbar.

Meteorologische Extremsituationen mit Starkregen, Hochwasser und Hitzewellen sind dabei genauso zu beobachten wie langfristige Entwicklungen und deren Folgen; dazu zählen u.a.

  • der eklatante Rückgang der Alpengletscher und damit sowohl der Verlust an natürlichen Süßwasserreserven für niederschlagsarme Zeiträume als auch die Verringerung der Speicherkapazität bei anhaltenden Niederschlägen und dem dadurch bedingten Verlust des Hochwasserschutzes. Wenn die Erwärmung
    mit dem selben Tempo wie in den letzten 20 Jahren fortschreitet, werden zumindest die Ostalpen in 70 bis 100 Jahren völlig eisfrei sein - der Schneeferner (Zugspitze) könnte bei anhaltender Schmelze sogar schon in 15 bis 25 Jahren völlig verschwinden (Weber, 2008)
  • die Abnahme der Sommerniederschläge und damit eine Änderung im Abflussregime mit Auswirkungen auf die Wasserführung der Flüsse und die Speicherfunktion der Seen, die wiederum Einfluss haben auf Schifffahrt, Energieproduktion, Kühlwassermengen und Ökologie
  • die Veränderungen der Schneedeckendauer und den damit verbundenen Auswirkungen auf Ökologie und Ökonomie
  • die Veränderung der saisonalen mittleren Temperaturen und Niederschläge und den damit verbundenen räumlichen und zeitlichen Auswirkungen auf die Eignung und denAnbau landwirtschaftlicher Nutzpflanzen.
  • die Veränderung der Phänologie der natürlichen Vegetation sowie der Nutzpflanzen mit einer bereits eingetretenen Vorverlegung der Blüte und einer Verzögerung der Reife (Menzel &Fabian, 1999).

Der Globale Wandel ist auch im Einzugsgebiet der Oberen Donau sichtbar und messbar und bezieht sich meist im Vergleich auf die letzten 100 Jahre. Nachfolgend einige Beispiele ( siehe auch Abbildung E1.2):

  • Strukturwandel in der Landwirtschaft (Beispiel Agrarökonomie: in Baden-Württemberg deutlicher Rückgang bei der Anzahl und Größe der Betriebe seit 1950)
  • Erhöhung der mittleren Jahrestemperatur (Beispiel Meteorologie: Zeitreihe der Messstation Hohenpeißenberg (Bayern) der Jahre 1880- 2000 im Vergleich zum langjährigen Jahresmittel 1971-1990)
  • Änderungen im Wasserverbrauch (Beispiel Umweltpsychologie: steigt die Außentemperatur, duschen Personen häufiger)
  • Verändertes Niederschlags- und Abflussregime mit auffallenden Hochwasserereignissen (Beispiel Wasserwirtschaft/Oberflächengewässer: Hochwasser an der Donau)
  • Änderung des Niederschlagsverhaltens mit häufigerem Starkregen (>25mm/h) und größerem Gewitteraufkommen mit Wolkenbrüchen, Sturzfluten, Hagel, Blitzschlag und Windböen über 120km/h (Beispiel Regionale Klimamodellierung: relative Änderung der Niederschläge in Deutschland)
  • Änderung der Schneedeckendauer und -dicke in Verbindung mit Änderungen bei der Wasserentnahme für Beschneiungsanlagen (Beispiel Tourismusforschung: Schneekanonen in einem Wintersportgebiet mittlerer Höhenlage)
  • Gletscherschwund in den alpinen Hochlagen (Beispiel Glaziologie: Vergleich des Gletscherstandes 1898 und 2005 am Vernagtferner, Ötztaler Alpen)


Abbildung: E1.2: Natur- und gesellschaftswissenschaftliche Teilprojekte bei GLOWA-Danube

5. Die Perspektiven des Globalen Wandels im Einzugsgebiet der Oberen Donau

Die Klimaszenarien des 4. Zustandsberichts des IPCC zeigen für das 21. Jahrhundert einen Anstieg der mittleren globalen Temperatur (IPCC, 2007): die beste Schätzung für ein niedriges Szenario beträgt 1,8°C (Schwankungsbreite 1,1- 2,9°C) und die beste Schätzung für ein hohes Szenario ist 4,0°C (Schwankungsbreite 2,4- 6,4°C). Allgemein führt ein Temperaturanstieg zu einer Intensivierung des Wasserkreislaufs, was sich in erhöhten Verdunstungs- und Niederschlagsraten äußert. Es ist zu erwarten, dass
Klimaveränderungen mit erheblichen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt verbunden sein werden. Dies betrifft nicht nur die veränderte Wasserverfügbarkeit für Natur und Mensch sondern auch die Veränderungen von Häufigkeit und Intensität der Hoch- und Niedrigwasserereignisse.

Parallel zur Veränderung des Klimas und seinen Auswirkungen auf den Wasserkreislauf im Einzugsgebiet der Oberen Donau laufen auf anderen Handlungssträngen ebenfalls absehbare Veränderungen ab, die bei einer Evaluierung der regionalen Perspektiven des Globalen Wandels im Einzugsgebiet der Oberen Donau berücksichtigt werden müssen. In den nächsten 30-40 Jahren ist im Einzugsgebiet der Oberen Donau mit einer Bevölkerungszunahme zu rechnen. Es ist zu erwarten, dass damit die Wassernachfrage bis 2015 um 1,3 bis 9% steigen könnte (BMU, 2005). Danach allerdings wird die Entwicklung voraussichtlich in den generell in Mitteleuropa zu beobachtenden Trend eines Bevölkerungsrückgangs und einer starken Zunahme des mittleren Lebensalters münden. Inwieweit dies den Wettstreit zwischen den Menschen und der Natur um die Ressource Wasser entschärfen wird oder eher verschärft ist zu untersuchen.

Zur Aufrechterhaltung des Wintertourismus, insbesondere in mittleren Gebirgslagen, müssen vermehrt Schneekanonen eingesetzt werden. Um eine Schneehöhe von 30 Zentimetern zu erzeugen, benötigen Beschneiungsanlagen eine Million Liter Wasser pro Hektar. Zum Teil müssen dafür Bäche umgeleitet oder künstliche Seen angelegt werden, um den Wassernachschub zu sichern (Lutz, 2000).

In Hitzeperioden kann bislang ein Teil des benötigten Wassers durch das Schmelzwasser der Gletscher ausgeglichen werden. Sind diese verschwunden, müssen andere, technische Lösungen gefunden werden, um möglichen Trinkwassermangel und Engpässe bei der Energieversorgung im Sommer zu vermeiden. Dies betrifft nicht nur den Betrieb von Wasserkraftanlagen, auch thermische Kraftwerke benötigen erhebliche Wassermengen zur Dampferzeugung und vor allem zum Abtransport von Abwärme. Dass dieses Problem keinesfalls eine Fiktion ist, konnte man erstmals im Sommer 2003 (Braun & Weber, 2007) und auch im Sommer 2005 erfahren, als Kraftwerke ihre Leistung drosseln mussten.

Eine Änderung in der Verfügbarkeit von Verdunstungswasser in den agrarischen Anbaugebieten der Oberen Donau kann bei Überschreitung kritischer Schwellwerte zu einschneidenden Änderungen in der Landwirtschaft führen, wie z.B. der Einführung von Bewässerungsanlagen oder neuen Nutzpflanzen. Dieser Prozess wird überlagert vom allgemeinen Strukturwandel in der Landwirtschaft sowie einer fortschreitenden Öffnung der europäischen Agrarmärkte.

Erhöhte Aufmerksamkeit muss der Entwicklung von Niederschlag und Abfluss gelten, da im Winterhalbjahr im Alpenvorland verstärkte Hochwassersituationen auftreten können, während im Sommer schon jetzt relativ trockene Regionen mit einer Abnahme von Niederschlag und Grundwasserneubildung rechnen müssen (BayFOR KLIM, 1999).

Die Obere Donau ist unter heutigen Klimabedingungen ein bedeutender Wasserexporteur und befriedigt vor allem im Sommer mit den aus den Alpen stammenden Abflüssen einen Großteil des Wasserbedarfs der Unterlieger entlang der Donau bis zum Schwarzen Meer. Es ist abzusehen, dass diese Länder im Laufe des 21. Jahrhunderts Mitglieder der Europäischen Union werden und somit das gesamte Einzugsgebiet der Donau Teil der Europäischen Union sein wird. Dies wirft als zentrale Frage des integrierten Einzugsgebietsmanagements die optimale zukünftige Zuweisung des von der Donau bereit gestellten Abflusses auf. Ist in diesem Zusammenhang z.B. ein eventuell notwendigerAusbau der Bewässerung in der Oberen Donau mit dem damit verbundenen erhöhten Verbrauch von Verdunstungswasser einer klimatisch und ökonomisch gebotenen Intensivierung der Landwirtschaft im Unterlauf vorzuziehen, auch wenn dies zwangsläufig zu einer Extensivierung der Landwirtschaft im Oberlauf führt?

Die aufgeworfenen Fragen, die in ihrer Spannweite keineswegs vollständig sein können, geben bei der Suche nach geeigneten Handlungsstrategien zur positiven Beeinflussung der zukünftigen Entwicklung eine Vorstellung der Komplexität des Vorhabens.

6. Szenarien

Die Entwicklung integrativer und interdisziplinärer Methoden und Modelle im Rahmen von DANUBIA, die Formulierung von Szenarien zukünftiger Wirklichkeiten sowie eine möglichst realitätsnahe Simulation der Folgen der in den Szenarien entwickelten Annahmen über die zukünftige Entwicklung geben Entscheidungsträgern und Stakeholdern die Möglichkeit, verschiedene Handlungsoptionen durchzuspielen und auf ihre Nachhaltigkeit hin zu untersuchen. Es gilt dabei, mögliche Auswirkungen sowohl auf die ökosystemaren Dienstleistungen des Einzugsgebiets als auch auf die Lebensbedingungen der Menschen zu untersuchen.

Hierzu soll das im Projekt GLOWA-Danube entwickelte Global Change Entscheidungs-Unterstützungssystem DANUBIA einen Beitrag liefern. Der Beitrag besteht in einer möglichst realitätsnahen Abbildung der zukünftigen Entwicklung von Aspekten der Gesellschaft und der Natur. DANUBIA wird dabei mit unterschiedlichen ordnungspolitischen Entscheidungs-Alternativen sowie globalen Entwicklungstrends (z.B. Klima, Wirtschaft) konfrontiert, die von den beteiligten Stakeholdern entwickelt und daraufhin dem Modell mitgeteilt werden. Aufgabe von DANUBIA ist es, unter Nutzung aller verfügbaren Teilmodelle zur Beschreibung des gekoppelten Verhaltens der Natur und der Menschen die Konsequenz der Entscheidungs-Alternativen und der zugrundegelegten Trends so realistisch wie möglich zu simulieren und die Ergebnisse der Simulation so aufzubereiten, dass sie von den beteiligten Stakeholdern bewertet werden können.

Beim jetzigen Stand der Entwicklung von DANUBIA ist zunächst die Annahme sinnvoll, dass sich nur das Klima ändert.Weitere sich ändernde Randbedingungen können nur über die in DANUBIA repräsentierten wirkenden Akteure im Einzugsgebiet der Oberen Donau Einfluss nehmen. So stellt z.B. eine Änderung der Agrarpolitik der EU eine Änderung von externen Randbedingungen für die Landwirte in DANUBIA dar. Alle in DANUBIA als Akteure repräsentativ abgebildeten Landwirte reagieren (in unterschiedlicher Weise) darauf, indem sie diese Änderungen in ihre mikroökonomischen Berechnungen einbeziehen und auf deren Grundlage weitere Entscheidungen treffen. In ähnlicher Weise wird das Verhalten der Haushalte beim Trinkwasserverbrauch als Reaktion auf den Wasserpreis und mögliche Verknappungen in DANUBIA behandelt.

7. Der Global Change Atlas - Einzugsgebiet Obere Donau

Im Rahmen von GLOWA-Danube wurde im Jahr 2004 mit der Konzeption und der Entwicklung des „Global Change Atlas Einzugsgebiet Obere Donau“ als Druck- und Online-Version (www.glowadanube.de/atlas) begonnen. Vorwiegender Zweck desAtlas ist es, die sektoralen und integrativen Ergebnisse von DANUBIA sichtbar zu machen, gemeinsam zu dokumentieren und sie als Diskussionsgrundlage für Stakeholder und Entscheidungsträger zur Verfügung zu stellen. Der gedruckte Atlas ist als offenes Ringbuch konzipiert und erlaubt somit eine ständige Verbesserung, Ergänzung und Erweiterung als Reaktion auf neu entwickelte Szenarien bzw. auf neue Erkenntnisse
zu den zu erwartenden globalen und regionalen Trends. In diesem Sinn unterscheidet sich der Atlas als dynamisches Werkzeug zur Unterstützung eines offenen Diskussionsprozesses vom klassischen Ansatz von Atlanten.

In Kapitel 1 beschreiben die beteiligten Wissenschaftlergruppen den Natur- und Sozialraum des Pilot-Einzugsgebietes der Oberen Donau. Die dort abgebildeten Daten bilden die Grundlagen für die Modell- und Simulationsrechnungen. Jeder Beitrag besteht aus einer oder mehreren Karten, die den jeweiligen Basisdatensatz darstellen und einem Text, der die Bedeutung und Entstehung dieses Datensatzes erklärt.

In Kapitel 2 beschreiben die einzelnen Fachdisziplinen ihre jeweiligen Teilmodelle von DANUBIA, die dafür notwendigen Daten sowie Validierungen anhand gemessener Zielgrößen. Aus dem jeweiligen Modell berechnete ausgewählte Datensätze werden dabei als Karte dargestellt. Jeder Beitrag umfasst auch hier eine Text- und eine Kartenseite.

In Kapitel 3 werden die Simulationsergebnisse unterschiedlicher Szenariorechnungen über die möglichen Entwicklungen der Oberen Donau in den nächsten Jahrzehnten dokumentiert. Dieser Teil ist zu Beginn der Dokumentation naturgemäß noch unvollständig und auf ausgewählte Teilaspekte beschränkt. Ein fortlaufender Diskussionsprozess mit Entscheidungsträgern und Stakeholdern, in dessen Verlauf gemeinsame Szenarien über mögliche zukünftige Veränderungen entwickelt werden, soll diesen Teil zukünftig dynamisch wachsen lassen.

Zur Verdeutlichung, ob es sich bei dem jeweils dargestellten Karteninhalt um einen Eingabedatensatz für DANUBIA bzw. um ein Ergebnis der Modellrechnungen mit DANUBIA handelt, wurde ein entsprechendes Logo in der linken unteren Ecke der Karte platziert:

Kartenblätter mit Themen zu Wasserverbrauch bzw. Wasserentnahme weisen zur besseren Vergleichbarkeit drei Maßeinheiten auf. Dabei wurden die in der jeweiligen Disziplin üblichen Werte in zwei weitere Einheiten umgerechnet. Dies führt zu den diskontinuierlichen Werteintervallen in den entsprechenden Kartenlegenden.

Autoren

W. Mauser,R.Weidinger,S. Stöber Department für Geographie, Lehrstuhl für Geographie und geographische Fernerkundung, Ludwig-Maximilians-Universität München

Literatur

BayFORKLIM (1999):
Klimaänderungen in Bayern und ihre Auswirkungen. Abschlussbericht des Bayerischen Klimaforschungsverbundes, November 1999.

BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2005):
Die Wasserrahmenrichtlinie - Ergebnisse der Bestandsaufnahme 2004 in Deutschland, Paderborn,August 2005 (2. Auflage).

Braun, L. & Weber, M. (2007):
Gletscher - Wasserkreislauf und Wasserspende. In: Klimawandel in den Alpen, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Bonn, S. 48-55.

IPCC (2007):
Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Solomon, S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K.B. Averyt, M.Tignor and H.L. Miller (eds.)] Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and NewYork,NY, USA.

KLIWA, Arbeitskreis Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft (2005a):
Langzeitverhalten der Lufttemperatur in Baden-Württemberg und Bayern. KLIWA-Berichte, Heft 5, Juni 2005.

KLIWA, Arbeitskreis Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft (2005b):
Langzeitverhalten des Gebietsniederschlags in Baden-Württemberg und Bayern. KLIWA-Berichte, Heft 7,August 2005.

Lutz, G. (2000):
Beschneiungsanlagen in Bayern - Stand der Beschneiung, potentielle ökologische Risiken. In: Technische Beschneiung und Umwelt. Tagungsband zur Fachtagung am
15. November 2000. Bayerisches Landesamt für Umwelt schutz,Augsburg, S. 7-14.

Menzel, A. & Fabian, P. (1999):
Growing season extended in Europe, Nature 397, S. 659.

Weber, M. (2003):
Informationen zum Gletscherschwund - Gletscherschwund und Klimawandel an der Zugspitze und am Vernagtferner (Ötztaler Alpen), Kommission für Glaziolo
gie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, November 2003.

Weber, M. (2008):
Mit den Gletschern geht´s bergab - Das alpine Wasserreservoir schrumpft weiter, Bayern forscht 1/2008, BSZ, S. 8 - 10.

Bildnachweis

Institut f. landw. Betriebslehre, Univ. Hohenheim: Strukturwandel der Landwirtschaft in Baden-Württemberg seit 1950.
Institut f. Terrestr. kosystemforschung, Univ. Bayreuth: Nationalpark Berchtesgaden.
Kommission für Glaziologie - Bayerische Akademie der Wissenschaften: Vernagtferner.
PixelQuelle (www.Pixelquelle.de): Kühles Nass, Sonnenaufgang Chiemsee, Kraftwerk Voerde, Schneekanonen, Donau-Hochwasser Regensburg.
Stadt Passau: Passau. Wiss. Zentrum f.Umweltsystemforschung, Univ. Kassel: Duscher/Denker, © by Anna von Lilienfeld-Toal.
MPI-M Hamburg: Klimamodellierung. (Stand 2008)

 

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