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Kapitel S6
Gesellschaftsszenarien in GLOWA-Danube

1. Einleitung

Ein GLOWA-Danube-Szenario besteht per Definition aus einem Klimaszenario sowie einem Gesellschaftsszenario. Die genaue Struktur und Zusammenstellung der GLOWA-Danube-Szenarien werden in Kapitel S1 beschrieben. Während sich die Kapitel S2 bis S5 der Entstehung und Logik der Klimatrends und Klimavarianten widmen, beschäftigt sich das vorliegende Kapitel mit den in GLOWA-Danube verwendeten Gesellschaftsszenarien.

Für die Entwicklung der Gesellschaftsszenarien wurde eine Arbeitsgruppe bestehend aus folgenden sozialwissenschaftlichen Teilprojekten mit DeepActor-Modellen (siehe auch Kapitel E3) gegründet:

  • Economy
  • Farming
  • Household
  • Tourism
  • WaterSupply

2. Verwendete Szenarien

Die Verwendung der Sinus-Milieus in einigen Teilmodellen (siehe z.B. Kapitel 2.10.2) ließ es sinnvoll erscheinen, auch bei der Entwicklung der Gesellschaftsszenarien auf die Erfahrung und das Wissen von SinusSociovision (siehe de Vries & Perry, 2007) zurückzugreifen, so dass eine einheitliche, inhaltlich stimmige Fortführung gewährleistet blieb.

Aus diesem Grund dienen die von SinusSociovision entwickelten sogenannten Gesellschaftlichen Megatrends als Grundlage für die Entwicklung der Gesellschaftsszenarien innerhalb der oben genannten Teilprojekte.

3. Die Sinus-Szenarien

Die Grundannahme der von SinusSociovision entwickelten Szenarien ist, dass die Gesellschaft einem stetigen Wandel unterworfen ist, welcher den Alltag, den Zeitgeist sowie die Wahrnehmung und Behandlung unterschiedlichster Themen beeinflusst. Innerhalb der letzten 20 bis 30 Jahre hat es entscheidende Entwicklungen in der Arbeitswelt, der Kommunikation, den Medien und vielen anderen Bereichen gegeben, die unsere Werte, unsere Einstellungen und unseren Alltag einschneidend verändert haben. Ein Beispiel dafür ist die Bedeutung des Umweltbewusstseins, das seit den 1980er Jahren einen immer zentraleren Stellenwert im gesellschaftlichen Bewusstsein eingenommen hat. Ein weiteres Beispiel ist die Kommunikationstechnik, die es uns erlaubt mit Personen über weite Entfernungen jederzeit und unkompliziert Kontakt aufzunehmen (per Telefon, E-Mail, Skype u.a.).

Die Ausgangsfrage für die Entwicklung gesellschaftlicher Szenarien war: Welche prototypischen Denkweisen, welche Mentalitäten, welche Paradigmen könnten sich durchsetzen? Nachfolgend könnten diese Gesellschaftstrends auf ihre Wirkungen in den Teilmodellen überprüft und implementiert werden.

Abbildung S6.1 veranschaulicht die der Entwicklung zugrundeliegende Szenarienlogik: Ausgehend von aktuell in der Gesellschaft vorhandenen Strömungen werden mögliche Entwicklungstendenzen entworfen. Dabei stehen je nach Szenario andere Denkweisen und Paradigmen im Vordergrund und prägen das Szenario. Andere Denkweisen und Paradigmen existieren zwar weiterhin, verlieren aber an Bedeutung.

Wichtige, bei der Entwicklung der Szenarien berücksichtigte Dimensionen waren neben neuen Technologien und der Globalisierung auch demographische, wirtschaftliche und politische Entwicklungen.

Abbildung S6.1: Die bei der Szenarioentwicklung verwendete Szenarienlogik (modifiziert nach de Vries & Perry, 2007).

Im Folgenden werden die Sinus-Szenarien kurz vorgestellt.

Szenario Free is fair

In diesem Szenario hat sich der freie Wettbewerb durchgesetzt, die Gesellschaft wird hedonistischer, marktorientierter und materialistischer. Die Dinge werden danach beurteilt, ob sie funktionieren. Nach der Logik des freien Marktes setzt sich das durch, was gut ist. Das gilt auch für den Menschen, denn er ist selber dafür verantwortlich, das Beste aus seinen Möglichkeiten zu machen. Entsprechend verlieren kollektive Verantwortung und Aufgaben an Priorität. Bürokratie wird als hemmend angesehen. Staatliche Unterstützung gibt es nur für diejenigen, die sich wirklich nicht selber helfen können. Die Kluft zwischen reich und arm, Macht und Ohnmacht wächst. Bildung und Kultur, Spiritualität und Religion sind Privatsache.

Szenario Shared Destiny

Dieses Szenario ist ein Gegenentwurf zum Free is Fair-Szenario. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die schädlichen Nebenwirkungen des ungebremsten Wachstums weiter zunehmen, findet eine Besinnung auf eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung statt. Es wird erkannt, dass die Gesellschaft auch andere Werte und Ziele hat als den wirtschaftlichen Erfolg.

Von Politik und Wirtschaft werden Verantwortung, Orientierung am Allgemeinwohl und an Interessen des Landes verlangt. Politische Fragen werden wieder wichtiger, das politische Engagement der Bürger nimmt zu. Entsprechend gibt es eine Rückbesinnung auf verbindliche Werte und mehr Augenmerk auf nichtökonomische Dimensionen. Vertrauen, Harmonie und Balance werden als Leitpfeiler der Lebensqualität angesehen.

4. Die Gesellschaftsszenarien in GLOWADanube

Die von SinusSociovision entwickelten und beschriebenen gesellschaftlichen Szenarien beziehen sich auf die gesamtgesellschaftliche Situation und haben ein entsprechend hohes Abstraktionsniveau. Um die Szenarien für die GLOWA- Danube Teilprojekte nutzbar zu machen, erfolgte eine Spezifizierung im Sinne einer konkreten inhaltlichen Ausprägung je nach Teilprojekt. In den nächsten Abschnitten wird die dazu verwendete Methodik beschrieben.

5. Methodik

Schritt 1: Überprüfung der Eignung

In einem ersten Schritt wurde für jedes Teilprojekt und für das dazugehörige Teilmodell überprüft, ob die von SinusSociovision entwickelten Szenarien als Grundlage für die GLOWA-Danube-Szenarien geeignet sind. Voraussetzung dafür war, dass in jedem Modell mindestens ein sogenannter Schlüsselfaktor vorhanden war, der je nach Szenario plausible, unterschiedliche Ausprägungen hatte. Da dies in allen zugehörigen Teilprojekten der Fall war, wurden die beiden Sinus-Szenarien für die GLOWA-Danube-Szenarien ausgewählt.

Um eine Abgrenzung zu den Originalszenarien von SinusSociovision und gleichzeitig eine schnelle Orientierung zu gewährleisten, wurden für die Szenarien neue Bezeichnungen gewählt. Das Szenario Free is fair wurde in Performance umbenannt; das Szenario Shared Destiny heißt im GLOWA-Danube Kontext Allgemeinwohl.

Zusätzlich zu diesen beiden Szenarien wurde beschlossen, ein Baseline-Szenario zu entwerfen. Ein Baseline-Szenario ist ein business as usual Szenario, es bildet je nach Teilmodell den aktuellen Status Quo, bzw. etablierte Verhaltensmuster ab und führt diese fort. Insbesondere im Hinblick auf die Interpretation der beiden anderen Szenarien, bzw. deren Abweichungen vom Baseline-Szenario, ist dieses Szenario von großer Wichtigkeit.

Somit ergeben sich drei Gesellschaftsszenarien:

  • Szenario 1: Baseline
  • Szenario 2: Performance
  • Szenario 3: Allgemeinwohl

Schritt 2: Szenariobeschreibung

Da die Umsetzung der Szenarien in den jeweiligen Teilprojekten vorgenommen wurde, war eine genaue Kenntnis der gesellschaftlichen Szenarien von SinusSociovision unumgänglich. Deswegen bestand der zweite Schritt aus einer detaillierten Beschreibung der beiden ausgewählten gegensätzlichen Szenarien in wesentlichen gesellschaftspolitischen Aspekten, die den Teilprojekten zur Verfügung gestellt wurde.

Schritt 3: Teilprojektspezifische Umsetzung

Szenarios. Die bis dahin auf einem hohen Abstraktionsniveau beschriebenen gesamtgesellschaftlichen Aspekte wurden in den beteiligten Teilprojekten in ihre Domäne umgesetzt. Dies geschah in Form kleiner Geschichten, sogenannter Storylines.

Beispiel für eine Storyline:
Tourism in Szenario 2 – Performance (Ausschnitt)

Die touristische Übernachtungsnachfrage im Untersuchungsgebiet steigt einerseits aufgrund der Globalisierung und damit neuer Gästegruppen und andererseits aufgrund von vermehrtem Hedonismus-Streben in der Erlebnisgesellschaft an. Für die Skigebiete im Einzugsgebiet gilt: Es sind expansive Tendenzen zu verzeichnen. Aufgrund des verstärkten technischen Ausbaus der Skigebiete ist eine Anhebung der Wirtschaftlichkeitsschwelle der Skigebiete notwendig, um die Investitionskosten wieder zu erwirtschaften. Dies wird u. a. durch die Verschiebung der Beschneiungsgrenze Richtung Nullpunkt unterstützt, da sämtliche technischen Möglichkeiten genutzt werden.

Eine entsprechende Beschreibung des Baseline-Szenarios sowie die konkrete Ausformulierung der beiden anderen Szenarien finden sich in den Kapiteln der einzelnen Teilprojekte.

Schritt 4: Szenarientreiber

Im vorherigen Schritt wurden die teilprojektspezifischen Aspekte eines Szenarios verbal beschrieben. Im letzten Schritt erfolgte eine Identifizierung der für das jeweilige Teilmodell relevanten Modellparameter zur Umsetzung eines Szenarios. Die ausgewählten Modellparameter realisieren die festgestellten Schlüsselfaktoren für die Gesellschaftsszenarien aus der Sicht der einzelnen Teilprojekte. Ergebnis ist eine Liste, die die jeweiligen im Teilmodell enthaltenen treibenden Faktoren sowie deren Ausprägungen enthält.

Faktor

Ausprägung
in Szenario 1
- Baseline

Ausprägung
in Szenario 2
- Performance

Ausprägung
in Szenario 3
- Allgemeinwohl

Reiseaktivitäten im Tagestourismus
(Besuch Gastronomiebetrieb)

unverändert

steigt an

unverändert

Wasserbedarf im Gastronomiewesen

unverändert

steigt an

unverändert

Wasserbedarf im Beherbergungswesen

unverändert

steigt an

unverändert

Ausbau der
Beschneiungskapazitäten

ja, moderater
Ausbau

ja, starker
Ausbau

kein Ausbau

Wirtschaftlichkeitsschwelle
bei Skigebieten
(Mindestöffnungstage)

unverändert

steigt an

unverändert

Tabelle S6.1: Treibende Faktoren und ihre Ausprägungen in den drei Szenarien für das Teilmodell Tourism (Ausschnitt).

Autor

S. Kuhn, A. Ernst
Center for Environmental Systems Research (CESR), Universität Kassel

Literatur

de Vries, J. & Perry, T. (2007):
Der demografische Wandel und die Zukunft der Gesellschaft. Navigator. Der Newsletter von SinusSociovision, Ausgabe 2/2007.

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